Tuesday, 4 September 2012

"DEPRESSION" : BZ-Interview...... Warum leiden Frauen häufig an Depressionen?

Doppelt so viele Frauen wie Männer erkranken an einer Depression. 

Die Psychologin und Buchautorin Ursula Nuber vertritt die Auffassung, 
dass es sich dabei um eine Stress- und Beziehungsstörung handelt. 

Wenn alles zu viel wird, scheint kein Ausweg in Sicht. Foto: privat/dpa 
Doppelt so viele Frauen wie Männer erkranken an einer Depression. Nach Ansicht der Psychologin Ursula Nuber, die ein Buch über die weibliche Depression geschrieben hat, handelt es sich dabei um eine Stress- und Beziehungsstörung. Mit ihr sprach Martina Philipp.BZ
Frau Nuber, Studien zufolge erkranken doppelt so viele Frauen wie Männer an Depressionen.
Kann man sich da so sicher sein?
Holen sich Männer nicht seltener Hilfe oder entwickeln eine Sucht und tauchen deswegen nicht in der Depres sionsstatistik auf?


Nuber: Das ist sicher ein Einwand, den man nicht von der Hand weisen kann. Dass Frauen eher bereit sind, über ihre psychischen Probleme zu reden als Männer, ist bekannt. Männer gehen eher zum Arzt, wenn sie körperliche Probleme haben. Ich glaube aber, dass sich selbst bei genaueren Daten nichts daran ändern dürfte, dass Frauen häufiger depressiv werden.

BZ: Sie sagen, dass Frauen speziellen Stressfaktoren ausgesetzt sind, die bei Männern kaum oder gar nicht vorkommen. Welche sind das?

Nuber: Allen voran steht das allseits bekannte Doppel-und-Dreifach-Phänomen. Frauen sind verantwortlich für Beruf, Haushalt und Kinder. Sie übernehmen häufig die Beziehungsarbeit, kümmern sich um Familienangehörige und spüren, wenn es in der Kantine einer Kollegin nicht gut geht, während der Kollege vielleicht von seiner Fahrradtour erzählt.
Die sozialen Antennen von Frauen sind sehr lang. 
Sie sehen die Probleme anderer und glauben, sich darum kümmern zu müssen. Ein anderer Faktor ist die Mutterschaft. Sie wird zunehmend zum Stressfaktor, weil Frauen heute oft denken, sie müssten eine Supermama sein und sich dann als Rabenmama fühlen, wenn sie sich zwischen Job und Familie aufreiben. Der Perfektionszwang übt einen unendlichen Druck aus.

BZ: Ihre zweite These lautet, dass sich die weibliche Depression auf Beziehungsproblemen gründet. Da dazu immer zwei gehören, müssten dann auch Männer depressiv werden.

Nuber: Nicht in diesem Punkt, da sind Männer geschützter, weil sie nicht so beziehungsorientiert sind. Funktionierende Beziehungen sind für Frauen unendlich wichtig, sie brauchen das Gefühl des Sich-eingebunden-Fühlens. Man kann schon im Kindergarten beobachten, dass Mädchen gruppenorientierter sind, während Jungen eher in den Wettbewerb gehen und unabhängig sein wollen. 
Männer sind auch deswegen geschützter, weil wir Frauen ihnen Beziehungen anbieten, in denen sie sich aufgehoben fühlen. Umgekehrt erleben Frauen das oft nicht. Sie fühlen sich alleingelassen und verhungern emotional in der Beziehung.

BZ: Können oder wollen Männer nicht so viel Verständnis und Empathie zeigen?

Nuber: Sie können es nicht so gut. 
Das ist keine Schuldzuweisung, es gibt einfach deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Gestresste Frauen neigen dann dazu, sich selbst die Schuld zu geben und fragen sich: 
Was mache ich denn falsch, dass ich nicht von ihm das bekomme, was ich brauche? 
Aus Angst, dass sich die Beziehung weiter verschlechtern könnte, stecken Frauen oft zurück und sagen nicht, wenn sie verletzt oder wütend sind. Damit machen sie ihre Situation noch schlimmer, weil die Wut bei ihnen bleibt. 
Die Depression ist auch eine Aggressionskrankheit.
Es geht um eine Aggression, die nicht gezeigt wird.


BZ: Wie sind die Schuldgefühle von Frauen zu erklären? Wieso beziehen Frauen Beziehungsprobleme auf sich?

Nuber: Weil sie sich verantwortlich für die Beziehung fühlen. Und weil ihr Selbstwertgefühl davon abhängt, ob sie gute Beziehungen knüpfen und aufrechterhalten können. Gelingt ihnen das nicht, empfinden sie das als Verlust und vor allem als eigenes Versagen – ihr Selbstwertgefühl wird dadurch beschädigt.

BZ: Früher wurde in Beziehungen viel weniger geredet und sich ausgetauscht als heute. Trotzdem scheinen sie immer schwieriger zu werden.

Nuber: Das ist so. Tatsächlich waren Beziehungen früher weniger emotional, aber man hatte eben auch viel weniger erwartet, in einer Beziehung glücklich zu werden. Frauen waren früher außerdem anders eingebunden. Sie lebten oft in einem familiären Umfeld, in dem es Quellen der Anerkennung und der Stütze gab. Wenn ich heute dagegen die jungen Frauen mit kleinen Kindern ansehe, bei denen die Eltern ganz woanders leben: Diese Frauen sind oft fürchterlich allein. Da bleibt oft gar nichts anderes übrig, als die Konzentration auf den Partner.

BZ: Sie zitieren in Ihrem Buch die Psychoanalytikerin Eva Jaeggie, die gesagt hat: "Frauen machen sich in der Regel mehr Gedanken um einen Mann als über sich selbst." Ist das wirklich so?

Nuber: Das ist so zu beobachten. Eine Frau fragt oft: 
Wie kann ich dir nützlich sein? 
Sie fragt nicht: Was nützt mir? 
Wenn man das anspricht, dann kommt oft ein Einwand: Ja, ich will ja nicht egoistisch sein. Egoismus setzen viele Frauen gleich mit etwas ganz Schreckliches. 
Genau das ist das Defizit: Sie wollen eine Beziehung, aber sie verlieren die Beziehung zu sich selbst.

BZ: Auch Männern fehlt in Beziehungen oft etwas. Wie macht sich das bei ihnen bemerkbar? Werden sie bei massiven Problemen nicht depressiv?

Nuber: Männer werden aus anderen Gründen depressiv als Frauen. Bei Männern geht es oft um Leistungsversagen. In einer Beziehung fühlen sie sich häufig im Stich gelassen, wenn sie zu wenig Mütterlichkeit bekommen. Dann fühlt sich ein Mann gekränkt und geht in den Rückzug. Dann arbeitet er plötzlich viel und kommt spät nach Hause. Oder ist stundenlang mit dem Rad unterwegs.

"Die sozialen Antennen von Frauen sind sehr lang."

BZ: Sprich: Männer grenzen sich ab.

Nuber: Genau, sie tun etwas für sich. Frauen macht das dann sehr nervös, und sie wollen wissen: 
"Was ist los mit dir? 
Woran denkst du gerade?". 
Sie sind bedürftig nach einem Beziehungssignal.

BZ: Fühlen sich Männer von der emotionalen Bedürftigkeit von Frauen bedroht?

Nuber: Ja, die meisten Männer tun das. 
Das hat möglicherweise mit ihrer Beziehung zur eigenen Mutter zu tun. 
Wenn diese unzufrieden und klagend war, weil sie von ihrem Mann nicht das bekommen hat, was sie wollte, hat der Sohn möglicherweise ein negatives Frauenbild entwickelt. 
Viele Söhne waren oder sind so etwas wie ein Partnerersatz, und können sich dem nur erwehren, in dem sie sich abgrenzen. Oder aber die Männer sind mit einer Mutter aufgewachsen, die gesagt hat: 
Jungs müssen früh selbstständig werden, denen darf man nicht zu viel Liebe geben. 
Damit haben sie dem Sohn klargemacht: Gefühle sind unmännlich. Der Mann hat dann später Probleme mit einer Partnerin, die Gefühle zeigt und einfordert.

"Männer werden aus anderen Gründen depressiv."

BZ: Oft gibt’s aber doch schlicht Missverständnisse. Sie will nur in den Arm genommen werden, er denkt, er muss ihr Problem lösen.

Nuber: Richtig. 
Viele Männer wissen nicht, dass sie gar keine Lösungen anbieten müssen. 
Es reicht meist völlig, wenn sie sich mit der Frau hinsetzen und fragen: Erzähl mal, was war los?

BZ: Es wird viel über die Unterschiede von Frauen und Männern geredet. Für manche Menschen ist das zu viel.

Nuber: Ich denke, es ist sehr wichtig, die Unterschiede zu kennen. Gerade wenn es um Beziehungsstörungen geht. Es ist wichtig für beide Seiten, Verständnis und Akzeptanz zu lernen.

BZ: Was hilft, wenn eine Frau tatsächlich aufgrund einer Stress- und Beziehungsstörung depressiv ist?

Nuber: Wenn sie noch nicht schwer erkrankt ist, kann sie lernen, anzuerkennen, dass ihr Bedürfnis nach Beziehung keine Schwäche ist und nichts, wofür sie sich schämen muss. 
Sie kann lernen, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und ihre Gefühle zu zeigen, auch Wut und Ärger. Das Andere ist, dass eine Frau realisiert, dass sie nicht alles aus der Beziehung ziehen muss. Sie kann sich fragen: Gehe ich mit einem Thema vielleicht besser zu meiner Freundin? Wenn sich aber eine Depression verfestigt hat, dann sollte sie sich professionelle Hilfe gönnen. Gerade depressive Frauen gönnen sich so wenig.

BZ: Stichwort Doppelbelastung: Da ändern sich ja derzeit durchaus die Rahmenbedingungen, aber es könnte schneller gehen, oder?

Nuber: Klar, wenn man sieht, wie das ineinander geht: der Stress, die mangelnde Wertschätzung, das Sich-allein-Fühlen. Auf gesellschaftliche Entwicklungen hat die einzelne Frau aber wenig Einfluss und fühlt sich schnell hilflos. Ich denke deswegen, dass die Frauen erstmal selbst was tun können. Sie können sich klarmachen, dass sie nicht perfekt sein müssen und dass nicht alles machbar ist.

BZ: Worum geht es im Großen und Ganzen? Bei sich zu bleiben?

Nuber: Ja, darum geht’s immer wieder. 
Es geht darum, rechtzeitig zu spüren, dass es zu viel wird. 
Viele Frauen suchen sich erst dann Hilfe, wenn sie wirklich nicht mehr können. 
Frühzeitig sich einzugestehen "so geht es nicht mehr weiter", ist ein wichtiger Schritt. Dazu gehört auch, den Partner mehr in die Pflicht zu nehmen und zu sagen: Jetzt kümmerst du dich mal um das Kind, ich geh zu einer Freundin. Es ist wichtig, sich Auszeiten zu gönnen.

BUCH TIPP:
– Ursula Nuber: Wer bin ich ohne dich? 
Warum Frauen depressiv werden – und wie sie zu sich selbst finden. 
Campus-Verlag, 253 Seiten, 19,99 Euro.

ZUR PERSON: URSULA NUBER
Die Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin mit eigener Praxis ist stellvertretende Chefredakteurin des Magazins Psychologie Heute und hat mehrere Sachbücher geschrieben. Ursula Nuber, 58, ist verheiratet und lebt nördlich von Heidelberg.


Empfehlung von Business Doctors: www.Business-doctors.at

Deutsch: Buch link:
 "Don't Panic: Du bist nicht allein"
http://stress-burnout-dont-panic.blogspot.com/

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